Kinofilme im

Seit die Bilder laufen lernten, sind Spiel- und Dokumentarfilme ein Medium, das Menschen zusammenbringt, sie informiert und unterhält, über Macht- und Abhängigkeitsstrukturen aufklärt und – im besten Fall – zu eigenständigem Handeln ermuntert. Schon früh, noch zu Zeiten des Stummfilms, drehte beispielsweise Sergei Eisenstein den Film »Streik« (1925) über einen Arbeitskampf zur Zarenzeit und noch im selben Jahr sein vielleicht bekanntestes Werk: »Panzerkreuzer Potemkin« über Ereignisse während der russischen Revolution 1905 gilt längst als Klassiker der Filmgeschichte. Ebenso legendär ist Charlie Chaplins Spielfilm »Moderne Zeiten« (»Modern Times«, 1936), in dem der großartige britische Regisseur und geniale Tramp-Darsteller die Entfremdung der Menschen durch die Fließbandfertigung anprangert. Vier Jahre später folgte sein antifaschistischer und antimilitaristischer Film »Der große Diktator«.

Auch wenn heute aufklärerische Filme über Ausbeutung, Unterdrückung und Gegenwehr kaum noch in den Großkinos zu sehen sind: Es gibt sie noch. Ein paar davon zeigten wir im April und Mai 2022 im Zebra-Kino, dessen Team mit dem Ortsverein Medien+Kunst ein Programm zusammengestellt hat, das sich sehen lassen kann:

5. April: »Der marktgerechte Mensch«

Der Mensch als Ware? Das ist eine Konsequenz der Veränderungen, die das kapitalistische System seit Jahren umwälzt und immer mehr Menschen in mehr oder weniger prekäre Arbeitsverhältnisse zwingt. Spätestens seit der großen Finanzkrise befindet sich der Arbeitsmarkt im Umbruch. Die soziale Marktwirtschaft und die über Jahrzehnte erstrittenen Solidarsysteme werden mehr und mehr ausgehebelt. Der sich immer weiter beschleunigende Wettbewerb bringt das gesamte gesellschaftliche Gefüge in Gefahr. Das soziale Gewebe droht durch Verarmung, Vereinzelung und Entsolidarisierung zu zerbrechen.

Nachdem Leslie Franke und Herdolor Lorenz sich in »Der marktgerechte Patient« (2018) kritisch mit dem akuten Zustand des Gesundheitssystems auseinandergesetzt haben, erzählt »Der marktgerechte Mensch« von den verheerenden Veränderungen unseres Arbeitsmarkts. Unsichere und prekäre Beschäftigungsverhältnisse, algorithmusgesteuerte Arbeitsprozesse und Crowdworking haben unser Leben in den letzten Jahren rasant verändert – und nicht selten zu zerstörten Lebensläufen und psychischen Erkrankungen geführt.

Der Film zeigt aber auch Solidarität zwischen jungen Menschen, die für einen Systemwandel eintreten, und stellt Betriebe vor, die nach dem Prinzip des Gemeinwohls wirtschaften.

Dokumentarfilm Deutschland 2020, 99 Min.
Regie: Leslie Franke & Herdolor Lorenz

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12. April: »Regeln am Band, bei hoher Geschwindigkeit«

Harte Arbeitsbedingungen und miese Löhne: Das Leben von osteuropäischen LeiharbeiterInnen ist häufig alles andere als glamourös. In ihrem Dokumentarfilm zeigt Regisseurin Yulia Lokshina eine Welt, der man im Alltag normalerweise nicht begegnet.
Zum Inhalt: In der westdeutschen Provinz kämpfen osteuropäische LeiharbeiterInnen des größten Schweineschlachtbetriebs des Landes ums Überleben – und AktivistInnen, die sich für deren Rechte einsetzen, mit den Behörden. Zur gleichen Zeit proben Münchener GymnasiastInnen das Stück »Die Heilige Johanna der Schlachthöfe« und reflektieren über die deutschen Wirtschaftsstrukturen und ihr Verhältnis dazu.
Verwoben mit den Gedankengängen der Jugendlichen und ihrer Auseinandersetzung mit dem Text in den Proben erzählt der Film in unterschiedlichen Fragmenten über Bedingungen und Facetten von Leiharbeit und Arbeitsmigration in Deutschland.
Der Film wurde 2020 mit dem Max-Öphüls-Preis ausgezeichnet.

Dokumentarfilm, Deutschland 2020, 84 Min.
Regie: Yulia Lokshina

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19. April: »Danke, Chef!«

Profitsucht, Ausverkauf, Outsourcing, Lohn-Dumping: Auch in Frankreich sind Beschäftigte davon betroffen. Und so reagiert das Ehepaar Jocelyn und Serge Klur mit einem entschiedenen »Non!«, als ihre Arbeitsstellen nach Polen ausgelagert werden sollen. Zusammen mit Dokufilmer François Ruffin machen die beiden sich auf die Suche nach Antworten auf diverse Fragen. Warum ziehen die Jobs weg? Warum werden die Existenzen von Familien gefährdet? Wann ist die Profitmarge groß genug? Wie soll man sich in diesem Klima ein einigermaßen sorgenfreies Leben aufbauen?

Dokumentarfilm, Frankreich 2017, 84 Min.
Regie: François Ruffin

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26. April: »Der nackte König – 18 Fragmente über eine Revolution«

1979, Revolution im Iran. 1980, Revolution in Polen. Der Sturz des Schahs, des »Königs der Könige« im Iran, Massenstreiks und die Bewegung Solidarnosc in Polen. Was geschah in den Köpfen der jungen Frauen und Männer, die damals an den Erhebungen beteiligt waren? Was ging in ihnen vor, als ihre Revolution niedergeschlagen wurde, oder – wie im Iran – eine religiös-autoritäre Elite die Macht übernahm?

Der Filmautor Andreas Hoessli lebte damals als Forschungsstipendiat in Polen. Dort lernte er den Reporter Ryszard Kapuscinski kennen, der von der Revolution im Iran berichtete. Kapuscinskis 

Dokumentarfilm, Schweiz/Polen/Deutschland 2019, 108 Minuten; Regie: Andreas Hoessli

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12. Mai: »Sorry We Missed You«

Ricky Turner und seine Familie kämpfen gegen die Folgen der Finanzmarktkrise des Jahrs 2008. Die Familie hat Schulden, und als der Vater einen neuen Job als Paketbote bekommt, bietet sich ihnen endlich die Chance, die Misere zu beenden. Er will als selbstständiger Fahrer arbeiten und hofft, hierdurch ein wenig von seiner Unabhängigkeit zurückzuerlangen. Doch die Bedingungen in der schönen neuen Arbeitswelt sind gnadenlos …

Nach »Land and Freedom« (über Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg, 1995), »Bread and Roses« (über den Kampf für bessere Arbeitsbedingungen von illegalen EinwanderInnen, 2000), »It’s a Free World« (über LeiharbeiterInnen, 2007) oder »I, Daniel Blake« (über einen Sozialhilfeempfänger, 2016) ist »Sorry We Missed You« ein weiteres Meisterwerk des vielfach ausgezeichneten britischen Regisseurs Ken Loach.

Spielfilm, Britannien 2019, 101 Minuten, Original (mit Untertiteln) Regie: Ken Loach

Trailer:
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